Der Weg ist das Ziel oder wenn aus der Suche ein Weg wird (Teil 5)
Mein persönlicher Rückblick
Vier Beiträge lang habe ich meine Erfahrungen mit der Stellensuche geteilt. Nicht als Expertin, sondern aus der Perspektive als Betroffene. Ich habe über das Nicht-Gefundenwerden trotz Wille, über die vielen Wege, die ins Leere führen, über stille Enttäuschungen und das Bedürfnis nach Sichtbarkeit geschrieben. Ich habe versucht, zu zeigen, was sich verändert hat und was geblieben ist: Die Suche nach Anerkennung, Sinn und Zugehörigkeit. Und nein, das ist nicht neu oder erst ein Wunsch der GenZ. Das kenne ich als Jahrgang 1973 bereits sehr gut.
Was mir auffiel
Arbeitssuche scheint nicht einfach nur eine Phase zwischen zwei Jobs zu sein. Sie scheint auch ein Spiegel gesellschaftlicher Brüche aufzuzeigen:
Zwischen Digitalisierung und Menschlichkeit: Die Prozesse werden technischer und effizienter, aber was ist mit dem persönlichen Kontakt und der Wertschätzung?
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Bewerber:innen sollen sich makellos präsentieren, obwohl sie vielleicht gerade in einer belastenden oder verletzlichen Lebensphase sind, welche durch die Leistungsgesellschaft immer noch oft übersehen/belächelt/ignoriert wird.
Zwischen gesellschaftlichen Gruppen: Wer gut vernetzt, wirtschaftlich stabil und gesund ist, hat Vorteile, während andere abgehängt werden (Menschen mit Behinderung, Menschen ohne typisch schweizerisch-klingenden Namen, Frauen uva.).
Zwischen Individualisierung und Systemanforderung: Die Arbeitswelt verlangt Authentizität und Vielfalt, bietet aber noch zu wenig Räume dafür, wirklich verschiedenartig zu sein.
Zwischen lokalen und globalen Realitäten: In Regionen wie dem Kanton Zug treffen traditionelle Handwerksbetriebe mit stabilen, regionalen Strukturen auf globale Tech-Konzerne mit internationalem Mindset. Diese Koexistenz verstärkt den Druck auf beide Seiten und erschwert das gegenseitige Verständnis.
Diese Brüche sind nicht theoretisch, sondern erlebbar für alle, die sich in diesem System bewegen, welches Leistung misst und Menschsein immer noch nicht voll anerkennt. Für mich ist es wichtig, diesen Widerspruch sichtbar zu machen. Und doch schildere ich auch immer noch aus einer privilegierten Cis-Sicht, als weisse Frau mit einem Schweizer Pass ohne Behinderung!
Was sich verschoben hat
Früher gab es klare Wege und Regeln. Heute gibt es Möglichkeiten im Überfluss und doch zu wenig Passendes und zwar auf beiden Seiten: bei Arbeitnehmer:innen wie bei Arbeitgeber:innen. Wer heute sucht, braucht nicht nur Ausdauer, sondern auch digitale Kompetenz, Netzwerkgeschick, ein Gespür für Werte und vor allem ganz viel Glück.
Und ja: Ich habe viel gelernt in dieser Zeit. Über mich. Über den Arbeitsmarkt. Über Systeme. Und über Sprache. Denn was ich mit Worten nicht sagen konnte, wurde in sehr vielen Bewerbungsgesprächen übersehen. Was nicht in die Vorlage passte, fiel gefühlt durchs Raster bevor überhaupt ein Kontakt entstehen konnte.
Ich erinnere mich an Vorstellungsgespräche, in denen ich die passenden Worte auf eine ganz bestimmte Frage nicht fand, in denen ich mich in langen Sätzen verlor, um mich zu erklären. Ich versuchte immer, als Mensch gesehen zu werden und fühlte mich doch selten wirklich erkannt. Es gab nur wenige Ausnahmen. Was mich zu der Annahme führt, dass es viele gute Konzepte im Arbeitsmarkt gibt - auf dem Papier. Doch sie werden noch zu selten wirklich gelebt. Je technischer wir werden, desto wichtiger wird es, dass wir diese Konzepte tatsächlich leben. Das ist für mich die wahre Zukunft. Und das können nur Menschen, keine Maschinen. Daher sehe ich es als essentiell an, dass wir Menschlichkeit fördern und auch fordern und zwar je länger je mehr. Und genau dazu zwingt uns künstlicher Intelligenz doch, oder?
Ein Blick nach vorne
Nun, ich schliesse diese Serie nicht mit einer Lösung - höchstens mit Gedanken und weiteren Fragen - aber auch mit einer Hoffnung und zwar, dass es Wege gibt, neue Mittel zu finden und dass Technik uns vielleicht doch eines Tages helfen kann, menschlicher zu entscheiden - nicht trotz, sondern dank KI.
Deshalb öffnet sich hier ein neues Kapitel. Eines, das sich nicht mehr nur mit der Realität der Arbeitssuche befasst, sondern mit den Möglichkeiten, die GenAI bieten kann - und mit meinen persönlichen Erfahrungen damit. Denn nach der intensiven Auseinandersetzung mit dem Suchen, folgt nun mein Weg mit dem Finden: mit ChatGPT, mit digitalen Tools, mit strukturiertem Denken und mit der Lust, zu verstehen, wie alles zusammenhängt.
Danke
Danke für alle Rückmeldungen, fürs Lesen, fürs Teilen, fürs Mitdenken. Wer mag, begleitet mich weiter. In der neuen Serie "Meine Reise mit AI" teile ich, was mich bewegt, inspiriert, herausfordert - ganz so, wie ich es mit der Stellensuche auch hier getan habe. Und ich hoffe, ich kann damit noch jene begeistern, die bis anhin eher wenig mit KI am Hut haben.
Zum Schluss
Was ich aus all dem mitnehme: Jede Stellensuche, so herausfordernd sie war oder ist, hat mich näher zu mir selbst gebracht. Zu mehr Klarheit und auch zu einem tieferen Verständnis für andere Menschen - für ihre Wege, ihre Geschichten, ihre Unsicherheiten.
Deshalb schreibe ich darüber: Weil in der Jobsuche so viel mehr steckt als das Finden einer Stelle. Es ist ein Spiegel unserer Zeit und ein Weg zu uns selbst.



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